Vorweg: Wen betrifft es?
Der Herbst, unsere Indian Summer Zeit, viele fürchten ihn, den Ruhestand: Falle ich in ein tiefes Loch mit grenzenloser Langeweile, Bedeutungslosigkeit, ohne Erfolgserlebnisse, den täglichen Applaus, das Rampenlicht, die verliehene Macht? Das hängt natürlich stark davon ab, was man beruflich gemacht hat. Für jemanden, der seine Arbeit bis zuletzt geliebt hat, wird es schwer sein aufzuhören, aber auch für diejenigen, die finanziell darauf angewiesen sind, weiter zu arbeiten, weil es sonst zu knapp wird. Dann bitte nicht weiterlesen.
Bei mir ist es anders: Als ehemaliger Geschäftsführer / Vorstand sind wir weitgehend finanziell abgesichert. Ich hatte es überwiegend mit Themen zu tun, die nicht nur Freude bereitet haben. Andere in vergleichbaren Positionen konnten – so hatte ich zumindest den Eindruck – unliebsame Themen zum Teil leichter verdrängen. Viele mögen es
- Lobbyarbeit zu leisten
- an möglichst vielen hochkarätigen Repräsentationsterminen teil zu nehmen
- sich im Rampenlicht zu sonnen und Beifall zu erhalten
So ein Typ war ich nicht. Auch war ich kein Freund davon, Unternehmensberater anzuheuern und diese die Arbeit leisten zu lassen. Mein Ziel war es vielmehr, mit einer möglichst guten eigenen Crew die Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Wenn uns dies gelungen ist, waren das die Erfolgserlebnisse, die uns motiviert haben. Viele reichhaltige Erlebnisse während meiner beruflichen Tätigkeit haben mir das Gefühl gegeben, mit dem Erreichten zufrieden sein zu können. Mit 60 Jahren hatte ich nicht mehr den Drang, mir etwas beweisen zu müssen.
Ein weiterer Beweggrund für die Freude auf den Ruhestand: Vieles im Geschäft wird leider häufig durch Faktoren bestimmt, die ich verurteilt habe und kaum beeinflussen konnte;
- Politische Einflussnahme
- Vetternwirtschaft
- Schwache Charaktere – oftmals gestörte Persönlichkeiten – in Schlüsselpositionen
- Untreue, Korruption
Das ist zermürbend, dagegen ist nur schwer etwas zu machen, zumal es nicht selten bis in die obersten Ebenen der Politik reicht und damit auch das Rechtssystem ausgeschaltet ist. Das hat mich nach dem Motto „Love it, change it or leave it“ schon frühzeitig auf den Ruhestand freuen lassen. Letzt endlich habe ich mich auch auf mehr Zeit für Familie und zahlreiche Hobbys gefreut. Nach nun 14 Jahren: was war gut?
Einige Tipps für eine erfolgreiche, schöne Zeit
Im Nachhinein betrachtet, ich habe den Schritt, mit 60 Jahren in den Ruhestand zu gehen, nie bereut. Zu Beginn hatten wir beide – ganz besonders meine Frau – erhebliche Bedenken, dass es mit dem plötzlich nahezu ständigen Zusammenleben Probleme gibt, zumal ich zuvor beruflich häufig unterwegs war. Geholfen haben u.a. die zwei Wohnsitze Hamburg und Cuxhaven, so dass jeder für sich eine Auszeit nehmen konnte, wenn erforderlich. Das haben wir jedoch wider Erwarten nur selten genutzt. Allein der Gedanke „wenn ich will, kann ich…“ hat geholfen. Das Wechseln des Aufenthalts zwischen Hamburg und Cuxhaven hat immer wieder für Abwechselung gesorgt: Großstadt – Urlaubsort, eine bessere Kombination können wir uns bis heute kaum vorstellen. Bekannte / Freunde haben stattdessen immer wieder für einen „Tapetenwechsel“ Reisen gebucht. Da wir beide früher viel in der Welt herumgekommen sind, haben wir die Vorzüge der näheren Umgebung genießen können im Bewusstsein, dass wir in einem der lebenswertesten Teile der Welt leben. Dennoch haben wir auch weiterhin ab und zu entferntere „Sehnsuchtsorte“ besucht.
Eine Psychologin hat mich nach einer überstandenen Erkrankung erfolgreich dafür sensibilisiert, was wirklich wichtig ist und dass man lernen muss, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen, z.B.: „Ebbe und Flut zu beobachten“
Um nicht zu verrosten, habe ich mindestens alle zwei Tage für circa 45 Minuten leichten Sport betrieben. Die Sucht danach, wie man es mir versprochen hat, hat sich bis heute nicht eingestellt. Aber es ist immer wieder schön, wenn man es hinter sich hat.
Unsere Kinder und Enkel leben über Deutschland verteilt. Was früher etwas zu kurz gekommen ist, genieße ich jetzt umso mehr. Es ist allerdings kein Selbstgänger, den Familienfrieden zu erhalten, wie viele Beispiele in unserem Bekanntenkreis zeigen. Es lohnt sich aber, man hat ja Zeit dazu. Ich telefoniere für mein Leben gerne und bilde mir ein, dass auch dies den Kontakt, die Beziehung fördert, manchmal allerdings auch lästig sein kann. In dem einen oder anderen Fall konnten wir vielleicht helfen, unsere Kinder beim Aufbau ihrer Existenz zu unterstützen, das aber nur sehr vorsichtig, da sie letzten Endes selbst ihren Weg finden müssen.
Auch empfehlenswert ist es, sich über das ungeliebte Thema „Erbfall / Testament“ bis zur Hinterlegung von Passwörtern u.s.w. frühzeitig Gedanken zu machen. Das beruhigt, steigert die Entspannung, Gelassenheit und verhindert hoffentlich später einmal Streitereien.
Und wie wichtig sind Hobbys? Sehr wichtig! Mir hilft besonders, dass es nicht nur eins ist, sondern mehrere. Den ganzen Tag nur fotografierend durch die Gegend zu laufen und Bilder zu sortieren empfände ich schnell als eintönig. Deshalb springe ich von Zeit zu Zeit auf ein anderes Hobby. So ist beispielsweise der Aufbau und die Pflege dieser Internetseite eins davon, aber auch das erfolgt in Abständen. Das erhält den Spaß daran aufrecht.
Ehrenamtliches? Ja gerne, sofern es Spaß macht, sinnvoll und befriedigend ist, aber nur so viel, dass ich jederzeit Herr meiner Zeiteinteilung bin. Ich mag es überhaupt nicht mehr, feste Regeltermine zu haben, die meine Freiheit einschränken.
Zusammengefasst: Die Zeit ist schön und sehr abwechslungsreich. Nachtrauern, wie schön war es doch …, tun wir überhaupt nicht. Da halten wir es mit „Leuchtende Tage, nicht weinen, weil sie vorüber, lächeln, dass sie gewesen.“ (Konfuzius, 551 v.Chr.) Natürlich fragt man sich manchmal: wie lange geht das noch so gut weiter? Da hilft nur eine gesunde Portion Fatalismus: „Es kommt ja wie es kommt“ und „Es ist ja wie es ist“ allzeit bereit sein und nach Ovid „Carpe Diem“!